Der Mythos, dass Cannabis als „Einstiegsdroge“ fungiert, ist so hartnäckig wie ein Kaugummi unter dem Schuh. Jahrzehntelang haben wir diesen Begriff gehört, und immer hieß es: „Cannabis ist der erste Schritt Richtung Abgrund!“ Aber Moment mal, sagt die Forschung dazu nicht längst etwas anderes? Tatsächlich zeigt sich immer deutlicher, dass eher Nikotin der Türöffner für den Konsum härterer Substanzen ist – und nicht der entspannte Joint am Abend. Warum halten sich dann trotzdem so viele an dieser Idee fest? Einfach, weil sie sich so schön ins Bild fügt, das die USA und ihre Prohibitionspolitik seit den 1930ern gezeichnet haben. Die Wahrheit ist aber: Das eigentliche Problem liegt im Schwarzmarkt, nicht im grünen Kraut selbst. Dieser Schwarzmarkt bringt Konsumenten in Kontakt mit allerlei dubiosen Figuren und illegalen Netzwerken, während Cannabis selbst in der Regel niemanden zum Heroin-Konsumenten macht.
Stigma statt Therapie: Warum ältere Menschen sich verstecken
Mal ehrlich: Was hilft mir ein Medikament, wenn ich mich schämen muss, es zu nutzen? Genau das erleben viele ältere Menschen in Deutschland, wenn es um medizinisches Cannabis geht. Ein Arzt erzählte kürzlich von seinen älteren Patientinnen, die oft beschämt ins Wartezimmer schleichen, weil sie Angst haben, dass ihre Nachbarn vom „Skandal“ erfahren könnten. Dabei hilft ihnen das Zeug nachweislich – aber die alten Vorurteile und die jahrzehntelange Propaganda sind einfach schwer abzuschütteln. Der Gedanke, dass sich Menschen für eine legale, wirksame Behandlung schämen, während sie sich problemlos den dritten Obstler beim Stammtisch einschenken, sagt eigentlich alles über die Absurdität dieser Situation.

Alkohol und Zigaretten: Die wahren Killerdrogen
In Deutschland haben Alkohol und Zigaretten eine verheerende Bilanz: Tausende Todesfälle pro Jahr, direkt und indirekt. Allein Tabak verursachte 2021 etwa 99.000 Todesfälle, das sind fast 20 % der Gesamttodesfälle. Und Alkohol? Er reiht sich gleich dahinter ein, und keiner schreit „Verbot!“. Doch sobald es um Cannabis geht, schlagen alle Alarm. Komisch, oder? Denn die Statistiken zeigen glasklar: In Europa gibt es praktisch keine dokumentierten Todesfälle durch Cannabis. Während also jedes Jahr Abertausende durch die beiden legalen Alltagsdrogen sterben, wird Cannabis weiterhin wie der leibhaftige Teufel behandelt. Da stellt sich die Frage: Ist es wirklich das Gras, das so gefährlich ist, oder doch eher unsere Doppelmoral?
Amerika zeigt den Weg: Cannabis gegen die Opioid-Krise
Ein Blick über den großen Teich zeigt, dass es auch anders geht. In den USA belegen Studien, dass der Zugang zu medizinischem Cannabis den Missbrauch von Opioiden reduzieren kann. Staaten mit legalem medizinischen Marihuana verzeichnen teils deutliche Rückgänge beim nicht-medizinischen Opioidkonsum. Das klingt doch nach einem Ansatz, der auch in Deutschland funktionieren könnte, oder? Warum hierzulande also nicht die gleichen positiven Effekte erzielen? Anstatt Cannabis weiterhin zu verteufeln, könnte es helfen, Patienten eine Alternative zu den gefährlichen Opioiden zu bieten – und vielleicht ein paar Menschenleben zu retten. Aber da muss erstmal die Angst vor der „Einstiegsdroge“ weichen.
Reform à la Deutschland: Zwei Ziele, ein langer Weg
Deutschland hat sich endlich getraut, den staubigen Weg der Cannabisprohibition zu verlassen. Zwei Ziele stehen dabei im Fokus: Erstens den Schwarzmarkt auszutrocknen, und zweitens den Zugang zu medizinischem Cannabis zu verbessern. Bis zur Gesetzesänderung war der Zugang extrem beschränkt – nur schwerkranke Patienten hatten eine Chance, und Ärzte zögerten, weil sie schlicht nicht wussten, wie sie damit umgehen sollten. Die Reform sollte das alles ändern, aber der Weg ist noch lang. Solange das Stigma und die Unsicherheiten bestehen, wird der Schwarzmarkt weiter eine Rolle spielen, und Patienten haben es schwer, eine legale Therapie zu bekommen. Der Kampf gegen die alten Vorurteile ist noch lange nicht gewonnen.

Harry Anslinger: Der Mann, der alles kompliziert machte
Wenn es eine Person gibt, die Cannabis zum „Bösewicht“ machte, dann ist es Harry Anslinger. Der ehemalige Chef des Bureau of Narcotics war 1937 maßgeblich am „Marihuana Tax Act“ beteiligt, der Cannabis in den USA praktisch kriminalisierte. Und weil die USA damals wie heute den Ton angaben, wurden diese Ansichten auch in die UN-Einheitskonvention von 1961 gepackt – ein globaler Export von Prohibitionsdenken. In der deutschen Bundestagsdebatte zur Cannabisreform hat man sich natürlich auf diese Konvention berufen, und schon war die alte Rhetorik wieder da. Aber es wird Zeit, sich von diesem überholten Denken zu verabschieden. Schließlich sind wir nicht mehr im Jahr 1937.

Debatte oder Farce? Die deutschen Bedenken
In der aktuellen deutschen Debatte über Cannabis meldet sich unter anderem Martin Sichert von der AfD zu Wort. Er sorgt sich, dass die Legalisierung von medizinischem Cannabis „junge Menschen“ verführt. Sichert hat zwar einen Abschluss in Wirtschaft, aber vielleicht hätte er sich mal ein paar medizinische Studien anschauen sollen. Denn die zeigen ziemlich eindeutig, dass die „Einstiegsdroge“-Theorie eher ein Märchen ist. Ironischerweise zeigt die Forschung, dass es Nikotin ist, das am häufigsten den Weg zu härteren Substanzen ebnet – nicht der entspannte Joint im Wohnzimmer.

Das wahre Problem ist die Ignoranz
Cannabis ist nicht das eigentliche Problem – es sind die alten Vorurteile und die Prohibitionsgesetze, die uns im Weg stehen. Während der Großteil des Cannabisumsatzes noch immer auf dem Schwarzmarkt stattfindet, wird der Zugang für Patienten weiterhin durch bürokratische Hürden blockiert. Deutschland altert, und eine ältere Bevölkerung wird vermehrt alternative Behandlungsmöglichkeiten wie medizinisches Cannabis brauchen. Statt vor dem „bösen Gras“ zu warnen, sollten wir uns lieber um einen realistischen und pragmatischen Umgang mit der Substanz kümmern. Denn wie schon der hippokratische Eid sagt: „Erstens: Richte keinen Schaden an.“ Und das gilt nicht nur für Ärzte, sondern auch für Politiker.
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